Paralympics 2008

02. Oktober 2012

Das Behindertensportreiten ist in Hongkong zum vierten Mal (nach Atlanta) eine Disziplin der Paralympics. Leider wird die Disziplin Reiten nicht in Peking zusammen mit den anderen Sportarten sondern in Hongkong ausgetragen. Dort existierte bereits der Hongkong Jockey Club als Austragungsort von Pferderennen. Das Gelände wurde für die Olympischen Spiele total umgebaut und die Sportstätten neu errichtet. Ställe und Sporthallen sind umfangreich klimatisiert und auch das Wetter ist durchaus erträglich.

Diese Paralympics sind die zweitgrößte Sportveranstaltung der Welt nach den Olympischen Spielen.

Das deutsche Team

Das deutsche Team, das am 27. August 2008 nach Hongkong flog, bestand aus:

5 Reiterinnen Hannelore Brenner (Grade 3), Bettina Eistel (Grade 3), Britta Näpel (Grade 2),
Angelika Trabert (Grade 2), Steffen Zeibig (Grade 2)

Der Teamchefin Britta Bando, dem Bundestrainer Franz-Martin Stankus,
der Mannschaftsärztin Sabine Staemmler-Kienzle und dem Tierarzt Augusto Fernandez

und nicht zu vergessen

Den Betreuern Verena v. Blücher, Melanie Haas, Linda Hilbert, Karin Link und Doris Mayer

Den Vierbeinern Bennetons Fabuleux, Cherubim, Londria, Waldemar und Women of the World

Mein ganz persönliches Erlebnis der Spiele Paralympics 2008 in Peking, bzw. für die Reiter in Hongkong?… was für ein Erlebnis!!!

Für sehr lange Zeit gab es für mich aus pferdesporttechnischer Sicht nur ein Ziel:

>>>>>>>Hongkong 2008<<<<<<<

Mein Stütchen “Women of the World” war von Mitte 2006 bis fast Mitte 2007 verletzungsbedingt nicht wirklich einsetzbar und da kommen dann schon Zweifel, ob es noch reichen wird, sie so fit zu kriegen, dass man ein Projekt wie Hongkong überhaupt in Betracht ziehen kann.

Bereits 2007 haben wir bei den Weltmeisterschaften in Hartpury, England Silber und Bronze in der Einzelwertung und Silber in der Teamwertung holen können. Das war ein super Einstieg in die internationale Ebene, aber ich wusste, da ist noch mehr drin.

Wie das Leben manchmal so spielt, habe ich Anfang 2008 durch Zufall Dorte Christensen aus Wachenheim kennen gelernt. Wir hatten sofort einen sehr guten Draht zueinander und Dorte zeigte sehr großes Interesse an unserem Sport. Wie sich herausstellte, haben wir zudem absolut die gleiche Vorstellung von der Reiterei und so-mit testeten wir, ob es im Training mit uns funktionieren würde.

Die Monate vor der Abreise nach Hongkong waren geprägt von sehr intensivem Training und von vielen Gesprächen und mentalen Vorbereitungen. Endlich hatte ich jemanden gefunden, der es wie kein anderer versteht, die Pferde locker und leistungsbereit zu machen. Endlich hatte ich jemanden gefunden, der mein Pferd so reitet und vorbereitet, dass es das Reiten für mich wirklich leichter macht. Jemanden, den ich nachreiten kann, wie man im Reiterjargon so zu sagen pflegt.

Von Anfang an habe ich Dorte 100 %-ig vertraut und bin wahrlich nicht enttäuscht worden. Sie hat mich mit meinen Ängsten und zeitweisen Panikattacken ernst genommen und einen Weg gefunden, mir immer mehr Sicherheit zu geben. Vor allem das Selbstvertrauen, dass ich mit allen möglichen Situationen “ von oben” selbst fertig werde. Und genau diese Entwicklung war für mich notwendig, damit ich in Hongkong in diesem riesigen, unbeschreiblichen Stadion nicht vor Ehrfurcht (und auch ein bisschen Angst) erstarre.

Vor allem ab dem 4. September, ab dem Dorte selbst bei uns in Hongkong war, konnte ich mich voll und ganz auf das Pferd und das Reiten konzentrieren und mit meiner Stute immer mehr zum Team werden -women of the world- halt!

Am 7. September dann begannen die Prüfungen. Wir ließen es ruhig angehen und bekamen für eine schöne, fehlerfreie, aber wahrlich nicht spektakuläre Runde eine Wertnote über 70 Prozent. Damit haben wir die Teamprüfung gewonnen und waren super auf die folgenden Prüfungstage eingestellt.

Die Individual oder auch Pflichtaufgabe am Donnerstag lief dann wie am Schnürchen. Mein Stütchen war frischer und ausdrucksstärker als in der Teamprüfung und war dennoch immer bei mir. Es war von Anfang an ein Genuss, diese Prüfung in diesem Stadion mit diesem Pferd zu reiten.

Dass es hierfür Gold gab, war fast nur eine Zugabe. Allerdings eine Zugabe, die mich unendlich stolz und glücklich gemacht hat!

Bei der Siegerehrung, die gegen Mitternacht stattfand, habe ich mich vorausschauend von meinem Stütchen entfernt und den Rollstuhl bevorzugt. Wie sich herausstellte, war dies die einzig richtige Entscheidung. Mein Pferd war der Shooting-Star des Abends. Sie hatte die Beine einzeln oder auch zusammen in der Luft und hat sich an der Hand von Dorte aufgeführt wie wild. Dorte hat sie immer so unter Kontrolle gehabt, dass nichts passieren konnte, aber ehrlich gesagt, war ich glücklich, dass ich nicht oben drauf saß!

Natürlich war mir klar, dass mein Pferd diese Aufregung zumindest teilweise auch am 11.September mit in die letzte Prüfung (die Kür) nehmen würde. Dorte und ich haben vorher alles durchgesprochen. Wie verhalte ich mich, wenn das und das passiert, etc.

Joh, und mein Pferd war in der Tat kurz vor der Explosion. Doch Gott-sei-Dank war sie immer bei mir und hat sich total zusammen gerissen, um nicht auszuflippen. Das hätte sie wirklich zu gern getan. So konnten wir eine Kür mit echten Höhepunkten und recht schweren Lektionen zeigen. Das war wirklich die Kür unseres Lebens. Vor dem Galopp habe ich vorsichtshalber die Gerten weggeschmissen. Das habe ich noch nie zuvor getan.

Ganz am Anfang der Kür war die erste Trabverstärkung. Ich wusste, dass ich Stütchen hier gehen lassen musste, damit sie etwas Spannung abbauen konnte. Das Ergebnis war ein Trab, bei dem mir der Atem stockte und das Publikum so laut raunte, dass ich es trotz der lauten Musik hören konnte. Meine Kleine hat alles gegeben! Und der Lohn war erneut eine Goldmedaille. Zusammen mit der Silbermedaille bin ich somit die erfolgreichste deutsche Sportlerin bei den Sommerspielen 2008.

Das konnte ich wirklich nicht erwarten. Allerdings war dieser enorme Erfolg eine echte Teamleistung. Und hiermit meine ich sowohl das Team in Hongkong, das einfach perfekt war, als auch das Team in den Monaten zuvor zu Hause in Wachenheim im Stall Magic. Danke Dir, liebe Dorte!!!